Bitte hier klicken, um zur richtigen Seite zu gelangen ausstellungen=AUSSTELLUNGEN Einzelaustellungen 2004 Kloster Marienfeld - Wege durch das Land. 1994 Kunstverein Emsdetten 1990 Daniel-Pöppelmann Haus, Herford 1982 Evangelische Akademie Loccum 1977 Verhoffhaus, Gütersloh 1976 Zentrum für Interdisziplinäre Forschung ZIF, Bielefeld 1971 Galerie Lydda, Bielefeld Bethel 1967 Galerie, Berlin Kunsthaus Bielefeld 1965 Behördenhaus, Osnabrück Galerie Knesebeckstraße, Berlin 1964 Galerie Tenner, Heidelberg 1962 Kunsthalle Osnabrück Gallerie Böhmerweg, Hamburg 1953 Kunsthalle Bremen Gruppenaustellungen 1945 in Münster und Osnabrück berger=A LETTER TO ANGELA WINKLER ABOUT THE PAINTIGS OF SIGMUND STRECKER 14.05.04 I find the paintings of fruit - particulary apples - and flowers - mohnblumen - that Sigmund Strecker made during the 1960s very remarkable.They are both sustained and - to the viewer - sustaining. Stylisticly speaking Strecker was not an original painter. It is the tenderness and strenght with which he approached nature that makes his painting rare and remarkable. There is a remarke by the Spanish philosopher Maria Zambrano which applies exactly to the oevre I`m thinking about. ? Colours were born in nature in order to make the light visible" I would strongly recommend a museum exhibition of these paintings so that what they have to offer is made available to a wide public. They have - curiously - a kind of ecolological urgency. And they give pleasure. John Berger ---------------------------------------------- am 29. Juli 2004 wurde im Zusammen- hang mit der kulturellen Veranstaltungs- reihe "Wege durch das Land", eine Austellung der Bilder Sigmund Streckers im Kreuzgang der gothischen Kloster- kirche Marienfeld zur Begegnung mit John Berger inzeniert. bio=BIOGRAFIE 6. August 1914 Sigmund Strecker wird in Bodenfelde an der Weser geboren 1916 Geburt der Schwester Elisabeth. Der Vater fällt im Ersten Weltkrieg. 1927 Tod der Mutter 1927-1934 Besuch des humanistischen Gymnasiums der Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale 1934 Beginn des Studiums an der Staatlichen Hochschule für Kunsterziehung in Berlin bei den Professoren Georg Tappert, Georg Schrimpf und Willi Jaeckel. Freundschaft mit den Studien- kollegen Bernard Schultze und Willi Pramann. 1937 Heirat mit der Kommilitonin Ilse Winckel. Sigmund Strecker wird verboten, das Kunsterzieher­ examen zu machen, da ein Groß- vater Ilse Streckers Jude war. Er legt heimlich das Werklehrer- examen ab. Der erste Sohn Christoph wird geboren.Umzug nach Düsseldorf.Sigmund Strecker führt sein Studium an der dortigen Akademie fort, in der auch Bernard Schultze weiter studiert. 1939 Aus Anlaß des Kriegsbeginns Umzug zu den Eltern Ilse Streckers nach Magdeburg. Der Vater Ilse Streckers, Richard Winckel, Professor an der dortigen Kunstgewerbeschule, übt großen Einfluß auf Sigmund Strecker aus. Bei ihm lernt er genau, fast minutiös zu arbeiten. 1940 Einzug zum Kriegsdienst. Sigmund Strecker leistet seinen Dienst bei den Kartenstellen in Griechenland, Südrußland und auf der Krim. In seiner Freizeit kann er zeichnen und malen. Geburt der Zwillinge lvo und Bernhard. 1941 Ilse Strecker zieht nach dem Tod ihres Vaters nach Wernigerode im Harz. 1945 Nach der Entlassung aus amerikanischer Gefangenschaft findet Sigm und Strecker mit seiner Familie eine Unterkunft im Wohnhaus einer alten Mühle in Neuenkirchen bei Melle. Dort entstehen zuerst Aquarelle, hauptsächlich Landschaften und Portraits. Erste Ausstellungen, die im weiteren Umkreis auf großes Interesse stoßen. Mehrere Jahre Zusammenarbeit in Gebrauchsgrafik mit dem Grafiker Helmut Caesar und dem Maler Ohlbrock. 1950 Umzug in ein Fachwerkhaus in Melle, das als Museum geplant war. 1954 Die Tochter Susanne wird geboren. Sigmund Strecker bekommt den Auftrag, einen großen Wand- teppich zu entwerfen, den seine Frau webt. Weitere Aufträge für Teppichentwürfe folgen. 1957 Die Söhne Sigmund Streckers bauen das Fachwerk eines ehemaligen Schafstalls in Halle/ Westfalen als Atelier und Wohn- haus wieder auf. Gleichzeitig entsteht ein Nebengebäude, in dem alljährliche Ausstellungen seiner Bilder stattfinden. Das Interesse an den Bildern wird so groß, daß die Familie mittlerweile von ihrem Verkauf leben kann. Sigmund Strecker reist mehrmals nach Südfrankreich und Paris. Starke Schaffensphase. Es entstehen die Spachtel-bilder. Künstlerischer Austausch mit Bernard Schultze, der ihn in Melle besucht. Auf Grund zu unter- schiedlicher künstlerischer Auf- fassungen läßt der Kontakt aber bald nach. 1960 Sigmund Strecker pachtet einen Kotten in Holterdorf bei Neuenkirchen. Dort entstehen viele Landschaftsbilder. 1965 Er erkrankt an einem schweren Ischiasleiden, das sich in früheren Zeiten schon bemerkbar gemacht hatte und ist einige Monate bettlägerig. Sparsame Pinselbilder entstehen. In dieser Zeit beginnt er, sich mit Ton zu be­schäftigen. Er formt vorwiegend Figuren. 1969 Die Krankheit verschlimmert sich. Sigmund Strecker entscheidet sich, seinem Leben ein Ende zu machen. bio=BIOGRAFIE 6. August 1914 Sigmund Strecker wird in Bodenfelde an der Weser geboren 1916 Geburt der Schwester Elisabeth. Der Vater fällt im Ersten Weltkrieg. 1927 Tod der Mutter 1927-1934 Besuch des humanistischen Gymnasiums der Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale 1934 Beginn des Studiums an der Staatlichen Hochschule für Kunsterziehung in Berlin bei den Professoren Georg Tappert, Georg Schrimpf und Willi Jaeckel. Freundschaft mit den Studien- kollegen Bernard Schultze und Willi Pramann. 1937 Heirat mit der Kommilitonin Ilse Winckel. Sigmund Strecker wird verboten, das Kunsterzieher­ examen zu machen, da ein Groß- vater Ilse Streckers Jude war. Er legt heimlich das Werklehrer- examen ab. Der erste Sohn Christoph wird geboren.Umzug nach Düsseldorf.Sigmund Strecker führt sein Studium an der dortigen Akademie fort, in der auch Bernard Schultze weiter studiert. 1939 Aus Anlaß des Kriegsbeginns Umzug zu den Eltern Ilse Streckers nach Magdeburg. Der Vater Ilse Streckers, Richard Winckel, Professor an der dortigen Kunstgewerbeschule, übt großen Einfluß auf Sigmund Strecker aus. Bei ihm lernt er genau, fast minutiös zu arbeiten. 1940 Einzug zum Kriegsdienst. Sigmund Strecker leistet seinen Dienst bei den Kartenstellen in Griechenland, Südrußland und auf der Krim. In seiner Freizeit kann er zeichnen und malen. Geburt der Zwillinge lvo und Bernhard. 1941 Ilse Strecker zieht nach dem Tod ihres Vaters nach Wernigerode im Harz. 1945 Nach der Entlassung aus amerikanischer Gefangenschaft findet Sigm und Strecker mit seiner Familie eine Unterkunft im Wohnhaus einer alten Mühle in Neuenkirchen bei Melle. Dort entstehen zuerst Aquarelle, hauptsächlich Landschaften und Portraits. Erste Ausstellungen, die im weiteren Umkreis auf großes Interesse stoßen. Mehrere Jahre Zusammenarbeit in Gebrauchsgrafik mit dem Grafiker Helmut Caesar und dem Maler Ohlbrock. 1950 Umzug in ein Fachwerkhaus in Melle, das als Museum geplant war. 1954 Die Tochter Susanne wird geboren. Sigmund Strecker bekommt den Auftrag, einen großen Wand- teppich zu entwerfen, den seine Frau webt. Weitere Aufträge für Teppichentwürfe folgen. 1957 Die Söhne Sigmund Streckers bauen das Fachwerk eines ehemaligen Schafstalls in Halle/ Westfalen als Atelier und Wohn- haus wieder auf. Gleichzeitig entsteht ein Nebengebäude, in dem alljährliche Ausstellungen seiner Bilder stattfinden. Das Interesse an den Bildern wird so groß, daß die Familie mittlerweile von ihrem Verkauf leben kann. Sigmund Strecker reist mehrmals nach Südfrankreich und Paris. Starke Schaffensphase. Es entstehen die Spachtel-bilder. Künstlerischer Austausch mit Bernard Schultze, der ihn in Melle besucht. Auf Grund zu unter- schiedlicher künstlerischer Auf- fassungen läßt der Kontakt aber bald nach. 1960 Sigmund Strecker pachtet einen Kotten in Holterdorf bei Neuenkirchen. Dort entstehen viele Landschaftsbilder. 1965 Er erkrankt an einem schweren Ischiasleiden, das sich in früheren Zeiten schon bemerkbar gemacht hatte und ist einige Monate bettlägerig. Sparsame Pinselbilder entstehen. In dieser Zeit beginnt er, sich mit Ton zu be­schäftigen. Er formt vorwiegend Figuren. 1969 Die Krankheit verschlimmert sich. Sigmund Strecker entscheidet sich, seinem Leben ein Ende zu machen. der_ernst=DER ERNST DER GEGENSTÄNDE In der kleinen Form, in der geduckten Haltung des Stil­lebens, des Schweigens vom Menschen, steckt zugleich etwas Machtloses. Es geht um die Rettung der Gegen­stände, des Sichtbaren, der Einheit von Sichtbarmachen und Körper, von Zeichen und Sache. Davon trennt uns heute ein Zeitriss. Nichts ist selbstverständlicher, als da~ die Zeichen ihre eigenen Wege gehen und die Körper nur sichtbar werden, in dem Mode, Foto, Sprache usw. sie ausdrücklich beschriften. Der spätere Realismus, der sechziger Jahre, war dann über die Frage hinaus. Das Malen von Gegenständen ist seitdem eine Verständigung über Sprachweisen, über die Geschichte der Moderne. Die abstrakte Malerei der fünfziger und sechziger Jahre war nur der Steg, um dort hinüber zu kommen. Streckers Malerei steht vor dieser Spaltung, kämpft gegen sie, auf der einfachsten Ebene, der der einfachen oder Urgegenstande, an denen die Menschen einmal das gesellschaftliche Sehen lernten. Er zeigt weder das Kämp­fen, noch sagt er, worum es geht, er wiederholt nur immer die einfachsten Bilder der Malerei. Die Abstraktion ist dabei überall anwesend. Natürlich stecken die großen Meister darin, Cezanne und Marees. Aber wahrend Cezanne und Marees so etwas wie die wirklichen Gegenstande malen wollten, die die Men­schen im Gebrauch nie sehen, geht es bei trecker nicht mehr um die wirklichen Dinge und nicht mehr um diesen unglaublichen Anspruch der Kunst, das strenge Gesetz zu malen, das die Dinge hervorbringt. Motherwell, Rothko und andere haben das versucht, mit tödlichem Ausgang. Strecker konfrontiert sich nicht unmittelbar mit dem Gesetz: Er probiert, ob sich die Apfel und Kornblumen noch vor ihm behaupten. Offensichtlich sind die Gegen­stande aus der Welt herausgefallen, die sie bei den Mei­stern um sich herum bildeten. Strecker blickt zurück auf die absoluten Gegenstande. Das ist etwas anderes a/s gegenständlich zu malen. die_suche=DIE SUCHE NACH DEM GLÜCk Dieser Ruckblick ist sehr deutsch. Es ist unendlich viel Sehnsucht darin, unbegriffene Aufklarung, schmerzliche Körperlichkeit. Das kann nicht zeitgemäß sein. Zeitgemäß waren unter den deutschen Malern der Restaurationszeit nur die Harmlosen. Oelze war bestimmt nicht zeitgemäß. Strecker wollte aber weder so ablehnend noch verachtend malen wie Oelze, noch überhaupt von den Menschen reden. Es steckt vor allem, und das ist ganz deutsch, in einem unendlichen - historischen - Sinne auch klein bürgerlich, in seinen klein en Bildern der Wille, das Gluck zu retten - auf dieser untersten Stufe, in dieser geduckten Haltung. Natürlich, was ist Gluck in der Kunst? Es geht um die Bildlichkeit des Glücks, und wo Bildlichkeit überhaupt in Frage steht - seit Kandinsky, Malevitsch, Klee ist nicht daran vorbeizusehen - verbindet sich beides: die finsteren Zeiten, und die immer größeren Schwierigkeiten des Sichtbarmachens. Das entscheidende an Streckers Bildern ist nun die Weigerung, Sichtbarmachen und Gluck zu trennen. Das ist der letzte Grund seines Festhaltens am Gegenständlichen, inmitten einer Thematik, die ungeteilt die der Abstraktion ist. Die Apfel und Blumen haben immer etwas vom Glanz der Marées'schen Orangen, der Himmelsfrüchte des im Leben unmöglichen Glucks der gefunde­nen, bleibenden Gegenstande. Sie werden dazu immer leichter, immer durchscheinender (die weißen Margeriten z.B. sind blau untermalt: von Rothko trennt das nur die kleine Form, oder, was dasselbe ist, das Festhalten eben an den Margeriten). Nur auf diesem Hintergrund der Marées'schen Paradiesorangen ist es verständlich, dass jemand sein Leben lang auf diese einfachste Gegenständlichkeit von Garten und Feld achtet. Das ist jenseits der Frage, ob man Natur oder Großstadt malt, fluchtet oder sich stellt. Es ist wohl der Versuch, unter der Bedingung, dass man sich ganz klein und ganz geduldig macht und vom Men­schen schweigt, die allerletzte Frage stellen zu können, die, ob es sich lohnt, weiterzuleben, zu malen, ob da etwas ist, vor, in und für, vielleicht auch nach den Menschen, was weitergeht. Das ist nicht einfach Natur. Es ist das, was von der Natur als Glucksbild übrig bleibt, als Möglichkeit eines heilen Zugriffs, von dem der Maler weiß), dass es ihn nicht gibt, er ihn also auch nicht darstellen kann. Er stellt vom Glucksbild soviel dar, wie eben noch, mit deutscher Sehnsucht, Unaufgeklartheit, ruckwartsblickender Körperlichkeit, darstellbar ist. die_versuchung=DIE VERSUCHUNG, ZEITGENÖSSISCH ZU SEIN Unmöglich, darunter nicht zu leiden. Aber Kunst ist grausam. Die besten Bilder Streckers sind die späten, die völlig hoffnungslosen. Da ist die Hoffnung aufgegeben, dazuzugehören. Es gibt keine Absicherungen mehr, nur noch den Versuch, so wesentlich wie möglich zu reden, im Bewusstsein, aus dem Gestern in ein fernes, langst über den Maler hinweggegangenes Heute nur noch irrtümlicherweise hinzuzugehören. Diese Bilder waren im bisherigen gemeint. Die Versuchung gab es offenbar auch ganz handfest. Es war die Zeit des Informel, der Utopie also, der Selbstbewegung des Materials. Gegen das Gesetz der Technik (es waren die Jahre der größten Wirksamkeit von Heideggers Kunstwerk-Aufsatz von 1935) opponierten einige Künstler - Dubuffet, Burri, Fautrier, Tápies u.a. - im Namen des unterworfenen Materials, der niederen Sinne, der Sinnlichkeit des Verbrauchten, Zerstörten, Verletzten, der Autonomie der Farbe. Die Leinwand, das Theater des sich befreienden Materials und seiner Verletzungen, wurde der eigentliche Gegenstand. Es hatte für Strecker dahin eine Brücke immerhin des Verständnisses geben können, einseitig, des Maiers in der deutschen Provinz für die auf der Ebene der internationalen Kunst aufgeworfene Frage. Das hat Strecker vermutlich überfordert. Er ging nicht den Weg, seine damals noch keineswegs so festen Gegenstande in die Selbstbewegung der Leinwand aufzulösen, sondern entschied sich letztendlich genau umgekehrt, für die Verfestigung der Dinge unter Zurückdrängung von Farbe und Leinwand in die stumme Rolle des Tragens. Dazwischen gibt es aber die Spachtelbilder. Sie sind ein stück Opportunismus, ein Stück Dazugehörenwollen. Das kann man gut genug verstehen, aber Kunst ist unerbittlich. Die Spachtelbilder fallen in der Tat oft auf Kunsthandwerk zurück. Die Handarbeit, Farbe und Leinwand werden ganz wichtig, ohne dass der Maler dahinter steht: Das große Thema des Informel ist gar nicht anwesend. Statt der Klage des geschundenen, sich befreienden Materials und der ihm eingeschriebenen Zeichen menschlicher Domestizierung, haben wir hier eine modische Technik, die zu den gemalten Gegenständen einfach nur dazukommt. Das fallt weit zurück. Der Anlass, de Stael, war selber ein Missverständnis: Seine Spachtelbilder segelten damals am Rande des Informel einfach mit und hatten einen guten Publikumserfolg, man sah viel Farbtechnik und doch Gegenstande. Irgendwann gab Strecker das Rennen auf und ließ den Spachtelliegen. Farbe, Technik, Leinwand wurden ganz unwichtig, es wurde sozusagen jetzt ganz wenig davon verbraucht, die Sparsamkeit der späten Bilder galt rundum. Je weniger Material, je unauffälliger Hand, Pinsel, Farbe, Leinwand, desto mehr wurden die Dinge leuchten und schweben. Dieses Aufgeben entfernte ihn noch mehr von seiner Zeit und hatte ihn, verstanden, fast in ihr Zentrum gebracht, in die Gleichzeitigkeit mit der beginnenden Pop Art, den Fahnen von Jasper Johns, den Flowers (1964) Andy Warhols. ummy=DER DUMMY TEXT Was die Bilder von Betrieb, damaliger Welt, Museum, publizierten Bestand trennt, ist schon die enge Bandbrei­te und das Fehlen jeglicher weitgreifender Formate, anspruchsvoller Gesten, überhaupt der lesbaren großen Zeichen der Zeit. Dagegen signalisieren sie Abwendung vom Aktuellen, kehren sie den Sonderweg, das biografi­sche Abseits, die deutsche Provinz heraus und stellen das als Abstand zwischen sich und die Welt, die in der Kunst das zwischen Paris und New York Mögliche warb. Es sind deutsche, kleinstädtische, scheinbar rückständige, be­fremdlich bescheidene Sachen, Bilder, die van Blumen und Bäumen handeln.Man denkt nicht nur an das Brechtgedicht von den Zeiten, die dafür erst kommen mussten, sondern weit mehr noch, Adornos Diktum über das Gedichte schreiben anwendend, an eine Frage: Konnte man nach Auschwitz noch Stilleben oder Landschaften malen? Wer, inmitten von Entnazifizierung und Restauration, in jenen finsteren Jahren Hauser, Baume, Blumen malte, war entweder ein Wicht, oder er hatte etwas zu sagen. Streckers Bilder sind unpolitisch, still, niemals harmlos. Schon deshalb keine Abstraktion: Wie straflos konnte man damals, wenn man nur abstrakt malte, harmlos sein. Abstrakte waren ganz bestimmt keine Nazi-Künstler. Strecker muss ganz sicher gewusst haben, dass das ein Fehlschluss war. Er wich nicht in die Abstraktion aus, son­dern ins Stilleben. Das erlaubte ihm, an der Welt zu ver­zweifeln, und doch davon zu reden, dass man sie retten muss. Es steckt in allen diesen kleinen Bildern ein bestimmtes Sichducken. Den großen Formen wird ausgewichen, nicht nur wörtlich, als Format, sondern auch in der Höhenlage der Aussage. Es gibt nur das Einfachste. Das Einfachste ist hier zugleich das Kleinste. Was die Radikalitat des Ruckgangs aufs Einfachste angeht, sind die Bilder so abstrakt wie die von E.W. Nay, z.B.. Der Ruckgang aufs Kleinste entscheidet sich also gegen die Mittel der Ab­straktion - also gegen das Informel, auch gegen Minimal, gegen das Kleine als Unendliches (z.B. Twombly). Das wäre Paris gewesen, oder New York. Es wäre die Wahrheit der Handschrift gewesen. Strecker wollte noch die Wahrheit der Gegenstande. Die gab es nicht in der großen Welt. Die gab es allerdings, auf längere Sicht, auch nicht in der kleinen Welt. Die Provinz war also nur der Wohnort einer noch viel tieferen Emigration - Anleh­nung weder an den kosmopolitischen Sonderling in Barg­teheide noch an den gescheiterten Staatsphilosophen in Plettenberg, zwei Schlüsselfalle jener deutschen Nach­kriegsrepublik. Sie war bloß das Sprungbrett zu einer bar­füßigen Dinglichkeit, die es weder in der großen noch in der kleinen Welt mehr gab.& Die Bilder, die Strecker im tiefsten Westfalen gemalt hat, brauchten nämlich die Dinge, von denen sie han­deln. Das ist nur schein bar banal. Sie brauchten die nord­deutsche Sehnsucht der Welt hinterm Haus, gesehen als die letzte mögliche Welt. Diese Bilder folgen einfach der Spur des Verlustes, nicht nach innen, wie Rothko, son­dern immer tiefer in die Peripherie, den wahrheitsfähigen. dunkel=NÖRDLICHES DUNKEL Diese späten Bilder sind weder gegenständlich noch ungegenständlich. Dass sie ein Graben von den lockeren Bildern vor der Spachtelperiode trennt, sieht man nicht zuletzt daran, dass jetzt die Landschaft fehlt: zuviel Welt. Die Dinge sind auch nur noch Sehdinge. Es gibt keinen Punkt, wo sie greifbar waren. Die Apfel sind nicht besonders rund oder glatt, sondern einfach so fern. Kein Gedanke ans Nehmen, Schneiden, Essen. Sie sind verletzlich geworden bis zur Unverletzlichkeit. Es handelt sich auch nicht mehr um Stilleben. Wieder k6nnte es ein Missverständnis geben, um diese Bilder mit denen der Spachtelperiode und den noch früheren zusammenzuschließen und neben ein Werk zu stellen, das anerkannt ist, das gleichzeitig ist, und das man als Verwandten reklamieren darf. Das Missverständnis heißt: Morandi. Morandi hat mit gleicher Beharrlichkeit Stilleben gemalt, fast immer Flaschen und Kruge, selten eine Blume, ab und zu auch Landschaften, ein Haus mit Bäumen, etwas Erde, Heu. Aber Morandi ist eine Generation alter und glaubt an die Gegenstande. Er muss sich nicht auf sie konzentrieren, sondern kann sie, heißt das, voraussetzen. Die minimalen Spannungsverschiebungen von Bild zu Bild im Aufbau, in der Farbe, sind wichtiger, aber auch ihre Selbstbewegung, in der sie von sich erzahlen, ein manchmal surrealer Anklang. Bei Strecker fehlt die Erzahlung, und die Konstruktion - da hat er Marées gut genug studiert - ist vollständig in die gemalten Dinge eingegangen. Die Luft, in der Streckers Bilder entstanden sind, ist nicht nur rauher, nördlicher, sondern auch dünner, ganz nahe dran am Untergang der alten ikonischen Kunst. In der Tat, Motherwell und Rothko sind die großen Zeitgenossen, und wenn man einen historischen Anhaltspunkt für Streckers abstrakte Gegenständlichkeit benennen will, etwas vom Sprechton her und der Aussagehöhe Nahes, dann wäre es wieder ein Abstrakter: Poliakoff. So klar zu sein, so ruhig, so unzweideutig und nirgendwo, fest umrissen und leicht bis zur Ungreifbarkeit, genau das ist die verbleibende Dinglichkeit. Der feste Umriss ist aber bei Strecker nicht Linie. Unbeirrt blieb er bei der Stofflichkeit. Was die Festigkeit ausmacht, ist nicht die farbige Flache, sondern das Abheben der gemalten Dinge als Gegenstande. Sie werden immer dichter und leuchten immer mehr, wie Sterne. Die Klarheit kommt nicht, ikonenhaft, aus der transparenten Flache, nicht, lateinisch mediterran, aus der Genauigkeit der Linie, sondert ganz vernagelt deutsch aus der Körperlichkeit, aus innengewandter stofflicher Verdichtung. Blumen und Apfel und Gefäße, Nüchternheit wird festgehalten inmitten der asketischen Einfachheit, etwas unverkennbar Norddeutsches: Dunkel, Harte, helle Horizonte, nicht nachgeben, nicht übertreiben. erinner=ERINNERUNGEN AN MEINEN VATER, 1994 Zu Weihnachten vor dem Abitur schenkte mir mein Vater »Urformen der Kultur« von Ruth Benedict. Dieses selt­same Buch führte mich in die Ethnologie ein, die ich zu meinem späteren Beruf machen sollte. Ich nenne das Buch hier, weil es stellvertretend für alles stehen kann, was mir mein Vater geschenkt und wie er mein Leben beeinflußt hat. Außerdem gibt es eine innere Beziehung zwischen Ruth Benedicts Darstellung von Kultur und von dem, was mein Vater in seiner Malerei verwirklichen wollte. Beiden geht es um die spannungsgeladenen Beziehungen zwischen einzelnen Dingen, die sich zu einem bewegten Ganzen verbinden. Dies verstand ich allerdings erst später, vor allem als sich in den sechziger Jahren der Strukturalismus entwickelte. Claude Lévi-Strauss war sehr von Ruth Benedicts Konfigurationstheorie beeinflußt worden, und immer, wenn ich seine Texte zur strukturalen Methode las, mußte ich nicht nur an Ruth Benedict, sondern auch an die Bilder meines Vaters denken. Charakteristisch für den Strukturalismus ist sein Bestre­ben, die Muster, die wir in unterschiedlichen Bereichen der Kultur finden, vergleichbar zu machen und von einem »Code« in den anderen zu übersetzen, beispielsweise von der Verwandtschaft zum Mythos, von der Kleidung zum Essen — und eben auch die Übersetzung vom Sehbaren in das Hörbare, vom Bild in die Musik. Hier liegt meines Erachtens eine wichtige Parallele zu meinem Vater. Er hat immer musikalisch gedacht und in seinen Bildern die Welt sozusagen von einem Modus in den anderen transponiert. Wenn ich an die Geschichte meines Vaters denke dann immer an die Geschichte einer Verweigerung. Wer seine Geschichte schreiben will, muß die Geschichte eines Eigensinnigen schreiben. Das ist besonders schwierig, weil sein Beitrag nicht in der Erfindung von etwas Neuem liegt, sondern im Festhalten an etwas Wesentlichem, im Ver­tiefen und Neubeleben von etwas Universalem. In den fünfziger und sechziger Jahren zu wollen, daß Malerei Nahrung sei, daß sie vom natürlichen Licht leben solle und Tanz sei — dafür mußte man gehörig eigensin­nig sein, denn damals war die Moderne nach Deutsch­land zurückgekehrt, und mit ihr die Hegemonie des Ab­strakten. »Philemon und Baucis« nennen wir ein kleines Spach­telbild, wo sich zwei Äpfel auf türkisenem Grund und vor matt gelb-ockeren Hintergrund aneinanderschmiegen. Hier vereinigt sich, wenn man so will, das Malerische mit dem Moralischen, weil aus dem Ganzen eine bestimmte Art von Zusammensein spricht, die unbewußt Erfahrun­gen aus dem eigenen Leben evozieren, so daß man sich fragt, ob man sich im Leben nicht vielleicht so zueinan­der verhalten sollte, wie die zwei Äpfel im Bild. Das soll aber nicht heißen, daß mein Vater an einer literarisch faßbaren Symbolik interessiert gewesen sei. Nein, das Gegenteil war der Fall. Nur die ganz allgemei­ne Symbolik erlaubte er sich, das heißt Vergleiche wie mit der Musik und dem Tanz. Ein Ausspruch, den mein Vater oft auf den Lippen hatte und der in unserer Familie zum geflügelten Wort wurde, heißt: »Das muß man im Ganzen sehen«. Um etwas im Ganzen zu sehen, muß man zurücktreten. So ging er dann auch dauernd vorwärts und rückwärts, wenn er mich porträtierte. Manchmal kam er ganz nah an mich heran, um eine Textur, ein Licht oder Schatten auf meinem Gesicht näher in Augenschein zu nehmen, manchmal mußte er so weit zurück, daß er durch den Vorhang trat, der das Atelier vom angrenzenden Kaminraum trennte. Ich erfuhr auch den von der Natur ausgehenden Abstraktionsvorgang sozusagen am eigenen Leibe, wenn ich für meinen Vater Modell saß. Seine mich in bildliche Dimensionen verwandelnden Augen haben mich nie wie­der losgelassen, selbst lange nach seinem Tod und in den entlegensten Winkeln der Erde. Das Problem, das im Zentrum aller Debatten lag, die wir zu Lebzeiten meines Vaters führten, war die Frage nach Natur und Abstraktion. Er sagte immer, daß man »aus dem Bauch heraus« nicht gut malen könne. Nur wer die Welt sähe, könne eine reiche Malerei verwirklichen. Ich bestärkte ihn in dieser Ansicht, als ich am Ende eines Briefes schrieb, es mache die Größe des Malvenbildes aus, daß es über den Weg der Abstraktion doch wieder zur Natur zurückkommt: »Man sieht, wie dicht Tonfolgen ineinander verwoben und in eine neue Ordnung aufgegangen sind. Aber am Ende ist diese Ordnung nicht abstrakt, sondern wieder Natur geworden. Es lassen sich Momente wie Klang, Bewegung, Spannung, Gewicht usw. abstrahieren und sie sind offensichtlich in die Komposition eingegangen — aber am Ende kommt man doch zu dem zurück, was vor der Abstraktion liegt, die anschaubaren, wachsenden Malven. Sie sind, so sehr sie auch in den Hintergrund getreten sind, die ordnende, alle Willkürlichkeit verbietende Ursache des Bildes selbst.« Ivo Strecker gegen=GEGENSTÄNDLICH-ABSTRAKT Nachdem die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts so gut wie abgeschlossen vor uns liegt, ist es schwer, zu einem Lebenswerk zurückzufinden, das den großen Sam­melfiguren des Jahrhunderts gleichzeitig war, aber zu sehr abseits stand, um damals gesehen worden zu sein. Es fehlen die Verzahnungen, es fehlt der vorbereitete Nebenplatz in einem der beschrifteten Gehäuse, die etablierte Stelle in der Hierarchie der Einflusse, Anlehnungen, Verwandtschaften, Gruppenzugehörig- keiten. Es fehlt die mindeste Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Saga. Umso weiter muss man jetzt ausholen, Faden knüpfen, die da sind, aber durch vorhandene Erzahlungen oder vorhandenes öffentliches Wissen nicht beglaubigt, eine alles in allem unterirdische Geschichte, eine Rekonstruk­tion. Diese nachträgliche Einführung muss Misstrauen wec­ken. Kann etwas Wesentliches gesagt und über so lange Zeit nicht gesehen worden sein? Der Verdacht liegt nahe, muss nahe liegen, dass einem Durchgefallenen nachträg­ lich eine Geschichte erfunden werden soll. Den Gegenbe­weis können in der Tat nur die Bilder selber fuhren, um die es hier geht. Die schone Vorstellung, dass die Meister sich im Himmel unterhalten und ihre eigene Kunstge­schichte schreiben, wo jedem die Anerkennung teil wird, die ihm zusteht, beschreibt ja nur die Möglichkeit, dass es den souveränen vorurteilslosen Blick gibt, der sich durch die geschriebene Geschichte der Kunst des 20. Jahrhun­derts nicht das Urteilen abnehmen lässt, der, um nur ein Beispiel zu nennen, de Chirico ein wenig vergisst und den Faschisten Sironi mit Staunen als Maler von Bildern ent­deckt, die standhalten. Dafür, dass ein solcher Blick all den Bildern hatte zeitgenössisch sein können, die auf ihn an­gewiesen sind, war das Jahrhundert zu gefährlich. In der Unbestrittenheit von Picasso und Beckmann steckt, als unsichtbare Verstärkung, immer auch das, wovon man nicht reden will. Das Kriterium des Standhaltens der Bilder ist nicht über- ­oder antihistorisch angelegt, es insistiert nur, im vollen Bewusstsein der historischen Kadenz, auf der entschei­ den den Frage: Was leistet das Bild? Wie steht es in der Geschichte zerstörter Sichtbarkeit da? Es wäre viel zu wenig, Streckers Bilder in einer Sichtweise der Nachträg­lichkeit anzuschauen und zu diskutieren, die auf die zer­reif)enden Kampfe der fünfziger Jahre unbeteiligt zurück­ blickt und Realismus und Abstraktion gelassen nebenein­ander stellt. Wer die damaligen Zerreif)proben miterlebt hat, kann sich mit einem solchen friedlichen Nebeneinan­der auch garnicht zufrieden geben. Wer damals weiter gegenständlich malte, musste seine Grunde vorweisen. Setzte er nur fort, wo die neue Sachlichkeit 1933 aufge­hört hatte, oder kam er einfach nur aus der Zuruckge­bliebenheit eines von der internationalen Entwicklung abgeschnittenen Nazi-Deutschland. Die damaligen ästhe­tischen Ordnungsfiguren Abstraktion und Gegenständ­lichkeit sind immer auch politische Ordnungsfiguren ge­wesen, die es erlaubten, sich auf bequeme Weise rück­wärts abzugrenzen, rückwärts gegenüber den Monumentalitäts- und Körpersehn- süchten, die der National­sozialismus unter anderem transportierte und die erst heute wieder sprach- und bildfähig werden, seitwärts gegenüber dem sozialistischen Realismus, den man heute ins Nationalerbe einholt, als wäre nie etwas gewesen. Wer abstrakt malte, war entnazifiziert. Immerhin hat, was damals durch den Dogmatismus der Abstraktion weggedrängt wurde, heute eine erhöhte Chance, wahrgenommen zu werden. Aber wie steht es mit der intimsten Deckschicht, der Verweigerung gegenüber dem Markt? Die fünfziger und sechziger Jahre waren die Zeit, wo die Interpretation durch den Kritiker sich an die Stelle des persönlichen Sehens setzte, mithin, von heute aus gesagt, die Kunst­rezeption im technischen Sinne medial wurde. Das einer seine Bilder nicht ausreichend zeigt, also die kulturellen Vermittlungsschritte unterlasst, die ihn in die Kreise hineingebracht hatten, in denen er gezeigt und zu Anerken­nung gebracht worden wäre, ist primär persönliche Ungeschicklichkeit. Halten die Bilder die Behauptung durch, sie seien damals nicht gesehen worden, weil sie noch von etwas zu reden versuchen, worauf die mediale Rezeption keinen Zugriff mehr hat? impressum=IMPRESSUM Verantwortlich für die Inhalte dieser Webseite: Bernhard Strecker Musterstrasse 5 10765 Berlin bernhard.strecker@berlin.de -------------------------------------------------------- Umsetzung und Betreung der Webseite: Julius von Bismarck www.spektronaut.de
julius@spektronaut.de -------------------------------------------------------- kleine_formen=DIE KLEINE FORM Was die Bilder von Betrieb, damaliger Welt, Museum, publizierten Bestand trennt, ist schon die enge Bandbrei­te und das Fehlen jeglicher weitgreifender Formate, anspruchsvoller Gesten, überhaupt der lesbaren großen Zeichen der Zeit. Dagegen signalisieren sie Abwendung vom Aktuellen, kehren sie den Sonderweg, das biografi­sche Abseits, die deutsche Provinz heraus und stellen das als Abstand zwischen sich und die Welt, die in der Kunst das zwischen Paris und New York Mögliche warb. Es sind deutsche, kleinstädtische, scheinbar rückständige, be­fremdlich bescheidene Sachen, Bilder, die van Blumen und Bäumen handeln.Man denkt nicht nur an das Brechtgedicht von den Zeiten, die dafür erst kommen mussten, sondern weit mehr noch, Adornos Diktum über das Gedichte schreiben anwendend, an eine Frage: Konnte man nach Auschwitz noch Stilleben oder Landschaften malen? Wer, inmitten von Entnazifizierung und Restauration, in jenen finsteren Jahren Hauser, Baume, Blumen malte, war entweder ein Wicht, oder er hatte etwas zu sagen. Streckers Bilder sind unpolitisch, still, niemals harmlos. Schon deshalb keine Abstraktion: Wie straflos konnte man damals, wenn man nur abstrakt malte, harmlos sein. Abstrakte waren ganz bestimmt keine Nazi-Künstler. Strecker muss ganz sicher gewusst haben, dass das ein Fehlschluss war. Er wich nicht in die Abstraktion aus, son­dern ins Stilleben. Das erlaubte ihm, an der Welt zu ver­zweifeln, und doch davon zu reden, dass man sie retten muss. Es steckt in allen diesen kleinen Bildern ein bestimmtes Sichducken. Den großen Formen wird ausgewichen, nicht nur wörtlich, als Format, sondern auch in der Höhenlage der Aussage. Es gibt nur das Einfachste. Das Einfachste ist hier zugleich das Kleinste. Was die Radikalitat des Ruckgangs aufs Einfachste angeht, sind die Bilder so abstrakt wie die von E.W. Nay, z.B.. Der Ruckgang aufs Kleinste entscheidet sich also gegen die Mittel der Ab­straktion - also gegen das Informel, auch gegen Minimal, gegen das Kleine als Unendliches (z.B. Twombly). Das wäre Paris gewesen, oder New York. Es wäre die Wahrheit der Handschrift gewesen. Strecker wollte noch die Wahrheit der Gegenstande. Die gab es nicht in der großen Welt. Die gab es allerdings, auf längere Sicht, auch nicht in der kleinen Welt. Die Provinz war also nur der Wohnort einer noch viel tieferen Emigration - Anleh­nung weder an den kosmopolitischen Sonderling in Barg­teheide noch an den gescheiterten Staatsphilosophen in Plettenberg, zwei Schlüsselfalle jener deutschen Nach­kriegsrepublik. Sie war bloß das Sprungbrett zu einer bar­füßigen Dinglichkeit, die es weder in der großen noch in der kleinen Welt mehr gab.& Die Bilder, die Strecker im tiefsten Westfalen gemalt hat, brauchten nämlich die Dinge, von denen sie han­deln. Das ist nur schein bar banal. Sie brauchten die nord­deutsche Sehnsucht der Welt hinterm Haus, gesehen als die letzte mögliche Welt. Diese Bilder folgen einfach der Spur des Verlustes, nicht nach innen, wie Rothko, son­dern immer tiefer in die Peripherie, den wahrheitsfähigen. kontakt=KONTAKT Bernhard Strecker Oranienstr. 58 10969 Berlin Tel.: 01792052761 bernhard.strecker@berlin.de laufe=IM LAUFE DER ZEIT - SPUREN IM ATELIER Ich betrete Haus und Atelier und begebe mich auf die Suche nach einem ver- gangenen Leben, entdecke Spuren, tauche in eine Vergangenheit und sehe heute, was geblieben ist. Ich begegne Menschen, Räumen und Dingen als Zeugen dieses Lebens. Sigmund Strecker ging seinen selbst gewählten Weg und widerstand allen Versuchungen des Kunstmarktes. Alles Unnütze, Falsche, nicht gelebtes Leben, wollte er abstreifen, der Malerei, den Dingen auf den Grund gehen. Von diesem Wunsch sprechen nicht nur seine Bilder, son­dern auch sein Haus und Atelier. Im Haus empfängt mich ein einfacher Raum, die Mau­ern sind nicht verputzt und zeigen noch das Ziegelmauer­werk, weiß überstrichen. Zwei Bilder Sigmund Streckers hängen an einer Wand. Ich sehe einen großen Webstuhl, der mit seiner vier Meter Breite und drei Meter Höhe eine ganze Wand ausfüllt. Fast rahmt er die Wand ein, an der Bilder, Zeitungsausschnitte, Fotos von Freunden, von den Kindern und vieles mehr, angeheftet sind. Auf einer schmalen Bank davor liegen Bücher- stapel, Zeitungen und andere alltägliche Dinge. Es gibt einige alte Möbel, ein Clavichord in der Mitte des Raums, einen selbstgebauten runden Kamin, ein Bücherregal aus Ziegelsteinen und Brettern. Der Fußboden ist mit Holzdielen ausgelegt, die mit der Zeit ein wenig aus den Fugen geraten sind. Eine frühere Toreinfahrt ist zu einem großen Fenster umgebaut worden. Hier wurden vor langer Zeit die Schafe hinein- getrieben. Das Ehepaar Strecker hat das Fachwerk des Schafstalls 1955 geschenkt bekommen, und mit den Söhnen das Haus auf dem Grundstück in Halle wieder aufgebaut. Die Bausubstanz ist weitgehend erhalten geblieben. Dicke Balken stützen Wände und Decken. Das Haus und sein Inneres sind wie ein alter Schuh der sich dem Fuß seines Besitzers immer mehr angepaßt hat und nun wie angegossen sitzt. Es stellt nichts zur Schau, keine oberflächliche vor- getäuschte Kultiviertheit, kein vorder- gründiges Künstlerambiente. Vom Wohnraum hat man einen Blick in Sigmund Streckers Atelier. Nichts scheint sich verändert zu haben. Es ist, als ob man ihn beim Malen antreffen könnte. Im Atelier steht ein großes Mappenregal, ein Klavier gegenüber. In der Mitte eine Staffelei, mit Ölfarbe bedeckt. Es gibt auch hier einen Webstuhl, etwas kleiner als der im Wohnraum. Ilse Strecker hat Teppiche am großen Webstuhl nach den Entwürfen ihres Mannes angefertigt. Bilder stehen angelehnt an der Wand und auf zwei hohen Regalen, so daß sie fast die Decke berühren. Jeder Platz ist ausgenutzt. Auf der Staffelei steht sein zuletzt gemaltes Bild, Heleniumblüten, nur auf wesentliche Flächen und Farben konzentriert. Über dem schwarzen Klavier stehen dichtgedrängt die Dinge, die Sigmund Strecker für seine Stilleben benutzte, die er immer wieder vor- genommen hat, neu anordnete, um sie neu zu sehen, verstaubte Flaschen, Krüge, Vasen und Becher. Auf der braunen Kommode liegt die alte Palette — mit ein paar vertrockneten Früchten und Blumen. Darüber hängt ein kleines Bild, eine einzelne Malve. Vom Atelier schaut man in den Garten. Hier hat Sigmund Strecker oft gemalt, was er draußen sah, Blumen, Bäume, Sträucher. Ein eigenartiger Zauber liegt über den Gegenständen, den Flaschen, den Figuren, der Staffelei. Ich möchte mit der Kamera diese Eindrücke festhalten. Mit fotografischen Ausschnitten von Räumen und Dingen, von Formen und Farben, versuche ich, dem Maler und seinem Leben auf die Spur zu kommen. Bald sehe ich genauer, werde immer stärker eingefangen von Farben, Formen, Flächen und Linien. Meine Suche wird eine Entdeckungsreise. Im Laufe der Zeit bemerke ich un- wesentliche Verände­rungen; eine Anemone steht am nächsten Tag am Fenster, ein Foto an der Wand ist aus- gewechselt, ein anderes Bild steht auf der Staffelei. Ilse Strecker benutzt das Atelier bei allem Respekt vor den verbliebenen Gegenständen, den Bildern und der Staffelei als eigenen Arbeits- raum. Sie lebt mit dem Atelier, hält dort die Erinnerung an Sigmund Strecker lebendig und schafft so eine Atmo- sphäre der Zeitlosigkeit. Anne-Christin Radeke schultze=EIN GESPRÄCH MIT DEM MALER BERNHARD SCHULTZE A.R. Herr Professor Schultze, Sie waren wahrend der Studienzeit und auch lange darüber hinaus mit Sigmund Strecker befreundet. Sie haben in Ihrer künstlerischen Entwicklung, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, einen ganz anderen Weg eingeschlagen als Ihr Freund. Sie standen unter dem Einfluss der abstrakten Kunst, vor allem des abstrakten Expressionismus aus Amerika und zahlten zu den Künstlern des Informel in den fünfziger Jahren. Sigmund Strecker ging diesen Weg nicht, er wollte sich der abstrakten Kunst nicht verschreiben. B.Sch. Ja, das ist schade, dass Sigmund da nicht mitgegangen ist. Er war gut, und er konnte malen. Wir wurden ja Freunde, obwohl wir so verschieden waren. A.R. Wie haben Sie sich kennengelernt? B.sch. Er ist mir bei einer Vorlesung aufgefallen. Das werde ich nie vergessen. Ich dachte, das ist ein guter Typ, der sieht gut aus, ein festes, klares Gesicht. Nach der Berliner Studienzeit waren wir auch in Dusseldorf noch zwei Semester zusammen. Er durfte das Examen ja nicht machen, da seine Frau keine »reine Arierin« war, oder er hatte sich scheiden lassen müssen. Aber das kam für ihn überhaupt nicht in Frage. Ich habe noch nie einen Mann erlebt, der so im besten Sinne verliebt war. In seiner Lebenshaltung war er wie Michael Kohlhaas. 1939 waren wir zusammen auf der Ausstellung »Entartete Kunst« in Dusseldorf. An einer Wand hingen Bilder und Zeichnungen von George Grosz. Und davor standen fünf oder sechs Amtsleiter in Uniform, so richtige Nazis, und guckten sich das an. Wir standen etwas hinter ihnen, die Ausstellung war sehr gut besucht. Und da sagte Sigmund plötzlich: »Ja, guckt Euch das an. Da seht Ihr, wer Ihr seid.« Ich sage: »Sigmund, bist Du wahnsinnig«! und reiße ihn weg. Am Nachmittag gingen wir dann auf der Kö einen Kaffee trinken. Das Cafe war sehr voll. Irgendwann wurde das Radio angeschaltet, weil Hitler sprechen sollte. Und da sagte der Sigmund laut: »Jetzt reicht es mir. Ich geh.« Ich denke, jetzt passiert es, eine Hand von hinten und die Worte: »Sie sind verhaftet.« Aber zum Gluck geschah nichts. Ich schiebe ihn zum Ausgang und sage: »Das ist völlig verruckt, was Du da machst. Du bist doch der Unterlegene und kannst doch hier nicht meutern wegen solcher Lappalien. Das kennen wir doch alles schon.« A.R. Ihrer beider Ablehnung des Nationalsozialismus war ia gleich stark. In welcher Form haben Sie beide reagiert, besonders in Ihren künstlerischen Entscheidungen? B.Sch. Sigmund war ein Choleriker, er brauste schnell auf. Ich war dagegen eher der Ruhige. Vielleicht haben wir uns gerade wegen dieser Gegensatze gefunden. Wahrend des Krieges begann ich schon abstrakt zu malen, obwohl ich noch nicht so genau wusste, wir alle nicht, was abstrakte Kunst eigentlich ist. Nach dem Krieg besuchte ich Sigmund in Melle. Er konnte meine Malerei nicht verstehen und sagte oft: »Du immer mit deinen abstrakten Bildern.« Ich versuchte, ihn für die abstrakte Kunst aus Amerika und England zu begeistern, die mich in dieser Zeit so IM LAUFE DER ZEIT - SPUREN IM ATELIER Ich betrete Haus und Atelier und begebe mich auf die Suche nach einem vergangenen Leben, entdecke Spuren, tauche in eine Vergangenheit und sehe heute, was geblieben ist. Ich begegne Menschen, Räumen und Dingen als Zeugen dieses Lebens. Sigmund Strecker ging seinen selbst gewählten Weg und widerstand allen Versuchungen des Kunstmarktes. Alles Unnütze, Falsche, nicht gelebtes Leben, wollte er abstreifen, der Malerei, den Dingen auf den Grund gehen. Von diesem Wunsch sprechen nicht nur seine Bilder, son­dern auch sein Haus und Atelier. Im Haus empfängt mich ein einfacher Raum, die Mau­ern sind nicht verputzt und zeigen noch das Ziegelmauer­werk, weiß überstrichen. Zwei Bilder Sigmund Streckers hängen an einer Wand. Ich sehe einen großen Webstuhl, der mit seiner vier Meter Breite und drei Meter Höhe eine ganze Wand ausfüllt. Fast rahmt er die Wand ein, an der Bilder, Zeitungsausschnitte, Fotos von Freunden, von den Kindern und vieles mehr, angeheftet sind. Auf einer schmalen Bank davor liegen Bücherstapel, Zeitungen und andere alltägliche Dinge. Es gibt einige alte Möbel, ein Clavichord in der Mitte des Raums, einen selbstgebauten runden Kamin, ein Bücherregal aus Ziegelsteinen und Brettern. Der Fußboden ist mit Holzdielen ausgelegt, die mit der Zeit ein wenig aus den Fugen geraten sind. Eine frühere Toreinfahrt ist zu einem großen Fenster umgebaut worden. Hier wurden vor langer Zeit die Schafe hineingetrieben. Das Ehepaar Strecker hat das Fachwerk des Schafstalls 1955 geschenkt bekommen, und mit den Söhnen das Haus auf dem Grundstück in Halle wieder aufgebaut. Die Bausubstanz ist weitgehend erhalten geblieben. Dicke Balken stützen Wände und Decken. Das Haus und sein Inneres sind wie ein alter Schuh der sich dem Fuß seines Besitzers immer mehr angepaßt hat und nun wie angegossen sitzt. Es stellt nichts zur Schau, keine oberflächliche vorgetäuschte Kultiviertheit, kein vordergründiges Künstlerambiente. Vom Wohnraum hat man einen Blick in Sigmund Streckers Atelier. Nichts scheint sich verändert zu haben. Es ist, als ob man ihn beim Malen antreffen könnte. Im Atelier steht ein großes Mappenregal, ein Klavier gegenüber. In der Mitte eine Staffelei, mit Ölfarbe bedeckt. Es gibt auch hier einen Webstuhl, etwas kleiner als der im Wohnraum. Ilse Strecker hat Teppiche am großen Webstuhl nach den Entwürfen ihres Mannes angefertigt. Bilder stehen angelehnt an der Wand und auf zwei hohen Regalen, so daß sie fast die Decke berühren. Jeder Platz ist ausgenutzt. Auf der Staffelei steht sein zuletzt gemaltes Bild, Heleniumblüten, nur auf wesentliche Flächen und Farben konzentriert. Über dem schwarzen Klavier stehen dichtgedrängt die Dinge, die Sigmund Strecker für seine Stilleben benutzte, die er immer wieder vorgenommen hat, neu anordnete, um sie neu zu sehen, verstaubte Flaschen, Krüge, Vasen und Becher. Auf der braunen Kommode liegt die alte Palette — mit ein paar vertrockneten Früchten und Blumen. Darüber hängt ein kleines Bild, eine einzelne Malve. Vom Atelier schaut man in den Garten. Hier hat Sigmund Strecker oft gemalt, was er draußen sah, Blumen, Bäume, Sträucher. Ein eigenartiger Zauber liegt über den Gegenständen, den Flaschen, den Figuren, der Staffelei. Ich möchte mit der Kamera diese Eindrücke festhalten. Mit fotografischen Ausschnitten von Räumen und Dingen, von Formen und Farben, versuche ich, dem Maler und seinem Leben auf die Spur zu kommen. Bald sehe ich genauer, werde immer stärker eingefangen von Farben, Formen, Flächen und Linien. Meine Suche wird eine Entdeckungsreise. Im Laufe der Zeit bemerke ich unwesentliche Verände­rungen; eine Anemone steht am nächsten Tag am Fenster, ein Foto an der Wand ist ausgewechselt, ein anderes Bild steht auf der Staffelei. Ilse Strecker benutzt das Atelier bei allem Respekt vor den verbliebenen Gegenständen, den Bildern und der Staffelei als eigenen Arbeitsraum. Sie lebt mit dem Atelier, hält dort die Erinnerung an Sigmund Strecker lebendig und schafft so eine Atmosphäre der Zeitlosigkeit. stille=EINE MALEIREI DER STILLE Die Bilder von Sigmund Strecker sind verhaltene Tone einer gegenständlichen Malerei von nur wenigen Motiven: Blumen, Früchte, Krüge, Schalen, einige Landschaften, seltener Menschen. Sie alle haben aber auch das Malerische zum Thema. Sie haben zum Thema das Licht, das jedem Bild erst Leben verleiht. Sie haben zum Thema, wie der Gegenstand durch Farbe Raum gewinnt. Welchen Klang ein farbiger Gegenstand vor einem farbigen Hintergrund erzeugt. Und sie haben den Rhythmus von Formen und Farben zum Thema. Vereinfachung und Abstraktion auf das Wesentliche eines Gegenstandes, und immer des erlebten, immer neu erlebten Gegenstandes - auf eine sehr beharrliche Weise leistet Sigmund Strecker seinen eigenen, persönlichen Beitrag zur Moderne. Eine Moderne, die dem Alten vertraut und sich ihm verbunden fühlt. Man denkt an die Neue Sachlichkeit der zwanziger Jahre, auch an die Worpsweder Künstler, an Morandi, aber vor allem an de Stael. Doch seltsam, den Einfluss, den man vielleicht am ehesten vermuten mochte, den hat es unmittelbar gar nicht gegeben. Erst sehr spät hatte Sigmund Strecker die Bilder der beiden Maler gesehen und 5011 Ober die Verwandtschaft mit seinen eigenen sehr betroffen gewesen sein. Am stärksten, glaube ich, ist wohl der Einfluss durch die vom spirituellen Licht umgebenen Stilleben Chardins und die kompakte, distanzierte Geometrie derer von Cezanne zu spüren. Nüchternheit und Glanz zugleich. Der Berliner Kunsthistoriker Heinz Ohff hatte 1965 Ober Sigmund Strecker anlässlich einer Ausstellung in Berlin geschrieben: »Blumen und Stilleben sind sein Thema. Er gestaltet es betont trocken, ohne jeden Überschwang. Morandi liegt ihm naher als Nolde, und auch die Abstrakten seiner Generation haben ihre Spuren hinterlassen, ohne dass er sich jemals vom Gegenstand abgewendet hatte. Eine Ausstellung zum Ausruhen für müde Augen - denn Strecker kann malen, seine Stille hat Intensität, seine Bilder, weder 'altmodisch' noch 'neumodisch', sind ganz einfach schon. « Sigmund Strecker 5011 einmal gesagt haben, die Blumen seien die Spiegel der Sterne. Sie sind die Sterne der Erde. Astronautenbilder waren damals, in den sechziger Jahren, in Mode. Heute bringen die Astronauten die Erkenntnis vom All mit, dass die Erde das schönste ist, was sie dort draußen gefunden haben. Ich bin Überzeugt davon, dass jeder Künstler sich irgendwann entscheiden muss zwischen dem Naheliegenden und dem Entfernten. Will er das Leben der Zukunft, der Vergangenheit, das einer fernen Phantasiewelt oder eines anderen Sterns oder Kontinents darstellen und auf diese Weise Ober sich und seine Wirklichkeit Klarheit gewinnen? Mich berühren die Bilder von Sigmund Strecker, weil sie sich für den anderen Weg entschieden haben. Nicht science fiction, nicht altes Griechenland, nicht Indien oder Wunderland, sondern die Vase auf meinem Tisch, die Mohnblumen darin und der Apfel daneben. »Die alltäglichen sichtbaren Dinge bleiben für die Malerei unerschöpflich«, hatte Sigmund Strecker geschrieben. Und in jedem gemalten Gegenstand ist die Welt enthalten. Auch weil er den Blick, den distanzierten Blick des Mannes, der ihn gemalt hat, beinhaltet. Dies sind Bilder vom genauen Hinsehen. Auch wir werden gebeten, genau hinzusehen. Viele Bilder sind mit dem Spachtel gemalt. Darin hatte er eine große Fertigkeit erlangt. Für ihn selbst offensichtlich eine zu große. Ihm, der täglich wieder neu und bei jedem Bild alles auf eine Karte setzte, wurde offenbar ein Weg verdächtig, der sich schon als allzu gekonnt erwiesen hatte. Man kann eine stete Radikalisierung in dieser Entwicklung beobachten. Keine Selbstgewissheit macht sich breit. So verschwindet der Spachtel wieder, und Sigmund Strecker malt in den letzten Jahren sehr schlicht mit dem Pinsel seine, meines Erachtens, schönsten, intensivsten und gleichzeitig verhaltensten Bilder. Alle Bilder kommen ohne oberflächliche Effekte aus, ohne modische Verrucktheit; sie wollen nicht Aufsehen erregen. Sie haben Intensität, Stille, auch Trauer, Traurigkeit. Sie suchen Trost, sie geben Trost. Sie sind streng, betont lapidar, sensationslos. Welch Souveränität, sich so auf Weniges verlassen zu können! Sie tragen die Spannung von Stolz und Bescheidenheit in sich. Konzentration und Sammlung. Sigmund Streckers Malerei verweigerte sich den Veränderungen des Nachkriegsdeutschland. Nicht die Straf)e, nicht der Ort, nicht die neuen Städte tauchen auf seinen Bildern auf. Allein das von der gesellschaftlichen Wirklichkeit Unberührte, Zeitlose. Und das ist, glaube ich, moralisches Programm: Eine Verweigerung gegenüber seiner Zeit: Der Wiederaufbau, später das Wirtschaftswunder, Amerikanismus und Wiederbewaffnung sollen ihn sehr enttauscht haben. Der scheinbar unpolitische Maler, fern von jedem kritischen Realismus, klagt seine Zeit nicht an, er klagt. Ich vermute, der Grund seiner Einsamkeit ist darin zu suchen. Seine Zeit hat nicht die subversive Kraft des Schonen akzeptieren können. Die Utopie des Schonen, an der sich die Wirklichkeit messen muss und es nicht kann und sich so in Frage gestellt sieht. Inka Bach zeitbilder=ZEITBILDER Es sind keine zeitlosen Bilder. Was sie wollen, macht eine genaue Situation sichtbar. Woran schließlich hangen sie so sehr innerhalb der kaum variierten Folge? Es geht, sieht man sie auf ihre Nachricht an die Zeitgenossen an, nur noch um das bloße unverrückbare Dasein der Dinge, oder, da Unverrückbarkeit an diesem Punkte nicht mehr aufteilbar ist, in Konstruktion einerseits, Erzahlung/Gegenstand andererseits, um das Standhalten der Zeichen. Askese meint auch nur wieder das schon genannte Leichtwerden. Leicht werden, wenig essen (auch das eine Kritik der restaurativen Verhältnisse: kein Fettwerden, kein Ansammeln van Wohlstandsmobiliar, unangreifbar für Krankheit, flaue Kompromisse, Mull usw.) - das ist sparsamer Farbauftrag, das ist Aussparen jeder Schilderung, jeder Verzicht auf Erzahlen, Situation, Anbindung an irgendetwas: Das Gefäß ist nicht mehr für etwas da, nicht Vase oder Küchengerät, sondern nur noch Gefäß, es hat also keinen Rand; die Apfel haben keine Schatten, liegen nicht mehr auf, wozu sie als gerundete Dinge ihre flachste Seite aufsuchen wurden, haben keine sonnenzu- oder abgewandte Seite. Es bleiben trotzdem Bilder auf der Kippe. Das einfache Leben wird beschworen, und dieser Versuch, Fallendes festzuhalten, stürzte sofort ins falsche deutsche Nachkriegswesen ab, wenn er nicht ständig die Leichtigkeit weitertreiben wurde. Jedes Innehalten und Zulassen van Situation verdickte sich zu Heimat, zum Falschen, nicht mehr Gedeckten, zu mehr als Sehnsucht und verzweifelter Anstrengung. Wenn es etwas gibt, was nur die Kunst noch sagen darf, dann darf sie es nicht lebendig entkommen lassen. Leben (Wiecherts »Einfaches Leben «, und doch hat auch Wiechert im KZ gesessen) steht im Wege, muss ausgelassen werden. So waren diese einfachsten Sichtbarkeiten der Blumen und Apfel nur an der Grenze zu malen, immer nur da, wo Schluss ist, um nicht zurückzufallen in Lebendigkeit, die nicht mehr wahr ist. Je einfacher und kleiner die Bilder sind, je mehr nur noch Blüte, Frucht, Gefäß, gelb auf grau, orange auf weiß auf tiefem blau und schwarz, desto naher sind sie an der Grenze. Die Grenze ist das Unsichtbarwerden. Zwischen Unsichtbarwerden und Nichtmehr-Erzählen-dürfen ist nicht viel Platz. Wenn die Blumen, Apfel, Gefäße soviel Stofflichkeit wurden abgeworfen haben, dass sie als Blumen, Apfel, Gefäße nicht mehr sichtbar, sondern nur noch Farbflachen waren, dann wäre alle Anstrengung umsonst: Es wäre da nur noch das international übliche abstrakte Bild gewesen, nicht mehr das, was gerettet werden sollte: diese kleinbürgerliche, deutsche Körperlichkeit, die der Nationalsozialismus so vollständig korrumpierte und ohne die doch dieses Land vollends unerträglich wäre. Es sind also, von heute aus gesehen, historische Bilder. Sie sind ihrer Zeit so intensiv zeitgenössisch, wie das nur die beunruhigtsten Künstler sein können. Dass sie mit der internationalen Kunst jener Zeit nicht zeitgenössisch sind, ist nur die Kehrseite der Intensität, mit der sie auf die deutsche Situation reagieren, die den Maler umgab. Sie sind weder zeitlos noch beliebig, weder harmlos noch austauschbar, sondern, je langer man hinsieht, Bilder eines historischen Abschieds. Weil sie rücksichtslos sind, sind sie zugleich als Bilder für alle Zeit gelungen. Sie sagen, was sie zu sagen haben, und sie halten dem Blick stand, unabhängig davon, welche Veränderungen des Sehens wir inzwischen erfahren haben. z_land1=Ein lichtbezogenes Bild wandelt sich lebendig mit dem Lauf des Tages, der Jahreszeiten, weil es das wechselnde Licht wiederspiegelt, und erscheint dadurch dem Betrachter immer wieder neu. &z_mozart4=Ich suche immer wieder volle, ausdruckskräftige Töne - ein Rot, ein Blau, ein Weiß, ein Schwarz - um ihrer selbst willen. Ein gemaltes Stück schwarzes Tuch kann an den Nachthimmel, an Festlichkeit, an spanische Geschichte erinnern, ein Rot oder Grün an altes China oder Tibet. &z_mozart1=Die alltäglichen sichtbaren Dinge bleiben für die Malerei unerschöpflich. Es kommt nur darauf an, ihnen immer wieder eine neue Seite abzugewinnen. &z_mozart2=Ich gehe immer vom unmittelbar Gesehenen aus. Dabei fließen Assozia- tionen von früher und an anderen Orten Erlebtes ein. &z_mozart3=Rhyhthmische Ordnung der Bildformen ist ein für alle Menschen verständ- liches Kunstmittel, zu verstehen von der ursprünglichsten Äußerungs- form, vom Tanz her. Ich möchte, dass das ganze Bild tanzt, gravitätisch- feierlich oder wirbelnd, dass Farben und Formen einen Rhythmus über das Ganze bilden. &z_philemon1=Mir liegt jeder litherarisch zu deutende Bildinhalt fern. Ich möchte, dass das Bild reich genug ist, um für den Betrachter eine Nahrung sein zu können. &z_philemon2=Wenn alles richtig ist, gerät die Bildfläche in einen gespannten Schwebe- und Vibrationszustand. Meiner Empfindung nach ist dieses zu erreichende "schwebende Gleichgewicht" eine Spiegelung der kosmischen Gravitation. &z_oberon1=Die Blumen sind der Spiegel der Sterne, deshalb male ich sie. &gegen_z=3&gegen1=Gefäße vor Rot um 1961 Öl auf Leinwand 74 x 92,5 cm &gegen2=Helles Apfelbild 1964 Öl auf Leinwand 47,5 x 65 cm &gegen3=Früchte und Gläser vor Dunkel 1961 Öl auf Leinwand 72 x 98 cm &kleinen_z=1&kleinen1=Sigmund Strecker in Halle, 1964 &ernst_z=1&ernst1=Steile Gefäße und weiße Kanne 1963 Öl auf Leinwand 42 x 74 cm &Suche_z=2&Suche1=Helle Malven um 1964 Öl auf Leinwand 65,5 x 58 cm &suche2=Weiße Japananemonen 1969 Öl auf Leinwand 45 x 55 cm &versuchung_z=2&versuchung1=Gelbe Früchte 1967 Öl auf Leinwand 32 x 54 cm &versuchung2=Früchte vor Rot 1967 Öl auf Leinwand 33 x 55 cm &dunkel_z=1&dunkel1=Steile Gefäße und Früchte auf Dunkel 1968 Öl auf Leinwand 75 x 99 cm &zeitbilder_z=1&zeitbilder1=Gefäße und Kokosnuss auf Blau 1968 Öl auf Leinwand 58 x 65 cm &stille_z=2&stille1=Mohn 1969 Öl auf Leinwand 50 x 65 cm &stille2=Helle Blüte um 1968 Öl auf Leinwand 50 x 65 cm &land1=Grüne Landschaft um 1963 Öl auf Leinwand 73,5 x 92 cm &land2=Landschaft mit Kornfeldern um 1962 Öl auf Leinwand 63,5 x 98 cm &land3=Sturmlandschaft um 1962 Öl auf Leinwand 72,5 x 98 cm &46=Birkenstamm 1966 Öl auf Leinwand 65 x 54 cm &land4=Gehölz in Ascheloh 1964 Öl auf Leinwand 54 x 65 cm &land5=Landschaft Holterdorf 1961 Öl auf Leinwand 64 x 99 cm &land6=Landschaft mit blauem Dach 1963 Öl auf Leinwand 46 x 64 cm &oberon1=Leine Malve, Susanne 1968 Öl auf Leinwand 33 x 22 cm &oberon2=Mohnkapseln 1967 Öl auf Leinwand 55 x 33,5 cm &oberon3=Tulpenbeet um 1960 Öl auf Leinwand 59,5 x 96 cm &oberon4=Mohnblumen 1967 Öl auf Leinwand 62 x 44 cm &oberon5=Heller Strauß um 1963 Öl auf Leinwand 61 x 45 cm &oberon6=Rote Zinnienblüte 1969 Öl auf Leinwand 45,5 x 32,5 cm &mozart1=Mozart in Marokko 1964 Öl auf Leinwand 55 x 82 cm &mozart2=Stilleben ocker um 1961 Öl auf Leinwand 80 x 98 cm &mozart3=Stilleben mit Bierglas um 1962 Öl auf Leinwand 72,5 x 98,5 cm &mozart4=Steile Gefäße und Ziegelsteine um 1963 Öl auf Leinwand 38,5 x 55,5 cm &mozart5=Stilleben blassbalu mit rechteckigen Steinen 1962 - 1963 Öl auf Leinwand 65 x 92 cm &mozart66=Flaschenbild um 1962 Öl auf Leinwand 62 x 49,5 cm &mozart6=Komposition Gold-Grün um 1962 Öl auf Leinwand 65 x 81 cm &mozart7=Dunkle Gefäße vor Dunkel 1964 Öl auf Leinwand 52 x 65 cm &mozart8=Kleines Stilleben 1963 Öl auf Leinwand 26 x 34 cm &Philemon1=Philemon und Baucis um 1966 Öl auf Leinwand 26 x 34 cm &Philemon2=Stilleben, Becher und Früchte 1963 Öl auf Leinwand 24 x 36 cm &Philemon33=Frucht auf schwarzem Grund 1966 Öl auf Leinwand 55 x 46 cm &Philemon3=Roter Apfel 1966 Öl auf Leinwand 28 x 35 cm &Philemon4=Früchte vor Rot 1967 Öl auf Leinwand 33 x 54 cm &Philemon5=Gelbe Früchte 1967 Öl auf Leinwand 32 x 54 cm &Philemon6=Zwei Gefäße und zwei Früchte vor Blau und Schwarz 1968 Öl auf Leinwand 37,5 x 53,5 cm &Philemon7=Weiße gefäße vor Rot 1969 Öl auf Leinwand 32,5 x 45 cm &Philemon8=Gefäße und Kokusnuss vor Blau 1968 Öl auf Leinwand 58 x 65 cm &Philemon88=Helles Stilleben um 1964 Öl auf Leinwand 48 x 68 cm &schultze_z=6&schultze1=Bernhard Schultze in seinem Atelier in Köln, 1990 &schultze2=Sigmund Strecker in Halle, 1964 &schultze3=Sigmund Strecker mit Bernhard Schultze in Bederkesa bei Bremen, 1937 &schultze4=Helles Stilleben, um 1964 Öl auf Leinwand, 32,5 x 45 cm &schultze5=Bernhard Schultze, Odyssee, 1953 &schultze6=Tonfiguren 1969 ca. 40 - 50 cm hoch &erinner_z=2&erinner1=Großes helles Stilleben, 1961/62 Öl auf Leinwand, 48 x 68 cm &erinner2=Ivo, um 1964 Öl auf Leinwand, 74,5 x 50,5 cm &laufe_z=7&laufe1= &bio_z=9&bio1=Sigmund Strecker im Garten in Halle, 1967 &bio2=Pflaumen, 1939 Öl auf Leinwand, 33 x 45 cm &bio3=Pfirsiche, 1939 Öl auf Leinwand, 30,5 x 40,5 cm &bio4=Äpfel, 1939 Öl auf Leinwand, 26 x 36 cm &bio5=Sturmlandschaft um 1962 Öl auf Leinwand 72,5 x 98 cm &bio7=Zwei Gefäße und zwei Früchte vor Blau und Schwarz, 1968 Öl auf Leinwand 37,5 x 53,5 cm &bio8=Helenium, September 1969 Öl auf Leinwand, 45 x 55 cm &bio9=Sigmund Strecker in Laboe, 1969 &berger_z=4&berger1=John Berger &berger2=Anbetung der Malve &berger3=Angela Winkler, Bilder in der Gotik &berger4=Gotischer Kreuzgang im Kloster Marienfeld &dummy1=Das Bild ist nur ein Platzhalter!